Der Anderthalbhänder ist ein Schwert welches i. d. R. mit zwei Händen geführt wird, er ist kürzer als der sogenannte Zweihänder, behauptete sich jedoch unabhängig auf dem Schlachtfeld und überlebte sogar den Zweihänder. Der Zweihänder entwickelte sich aus dem Anderthalbhänder heraus, dessen Klinge, Parier und Griff sind kürzer und folglich ist er auch leichter als der Zweihänder. Die historische korrekte Bezeichnung für den Anderthalbhänder lautet „Langes Schwert“. Der Name rührt von einer Grifftechnik her bei der eine Hand die Klinge umfasst und die andere den Griff – das Schwert wird zum durchschlagenden Spieß.
Die Anderthalbhänder besitzen Klingenlängen von ca. 85 – 110 cm und Griffe von 20 – 35 cm, dies ergibt eine ungefähre Gesamtlänge von 125 cm. Je nach Jahrhundert und Herkunft variieren die Maße, ihr Gewicht betrug in etwa 1,3 – 2,5 Kg. Heutige Schaukampfschwerter sind schwerer und es wird ein zäherer Typ Stahl verwendet, um dem Splittern vorzubeugen. Da die Waffen nicht geschliffen sind, besitzen sie mehr Material an der Klinge und sind schwerer als gleichlange „echte“ Schwerter.
Der Anderthalbhänder entwickelte sich aus den „normalen“ einhändigen Schwerter und wurde insbesondere als Duellwaffe genutzt. Ferner begleitete er Adelige sowie gut situierte Bürgerliche auf Reisen und diente auf dem Schlachtfeld. Man erkannte, dass die in etwa 10 – 25 cm längere Klinge einen enormen Vorteil im Kampf Mann gegen Mann erzeugt. Dies ist sehr wichtig gewesen in einer Zeit in der sogenannte „Gottesurteile“ ein normales juristisches Element waren und Überfälle/ Scharmützel häufig geschahen.
Bei einem Gottesurteil treten zwei Kontrahenten an, die sich über eine Streitsache nicht einigen konnten und kämpfen auf Leben und Tod, bis zur Kampfunfähigkeit oder bis zum ersten Blut. Davon ab existierte das Duellieren aus Ehrengründen, diese Duelle waren privater Natur, Gottesurteile fanden hingegen öffentlich unter juristischer Leitung statt. Sie waren über mehrere Jahrhunderte hinweg ein gebräuchliches Schuldermittlungsinstrument. Mit der Zunahme der Folter zur Beweiserbringung, kamen Gottesurteile jedoch ab dem 15. Jahrhundert aus der Mode. Anderthalb- und Zweihänder blieben trotzdem ein Bestandteil der Schlachtfeldausrüstung. Unter dem folgendem Link findet der Leser Illustrationen des Berühmten Kampfstellvertreter (Mietrecke in Gottesurteilen) Hans Talhoffer, entstanden ca. 1443
Der Anderthalbhänder kann im Unterschied zum Zweihänder noch mit einer Hand geführt werden, büßt dann aber ein Großteil seiner Schlagkraft ein. Die Entwicklung des Schwerttyps geschah graduell, ab einem gewissen Zeitpunkt waren die Klingen zu lang (unhandlich) um sie effektiv mit einer Hand zu führen und die Zweite wurde unterstützend an den Knauf gelegt. Bei einer der typischen Handpositionen wird dafür der Knauf zwischen Daumen und Zeigefinger genommen, während die übrigen Finger leicht geöffnet bleiben.
Da ein mit beiden Händen ausgeführter Schlag mehr Wucht besitzt, eigneten sich Anderthalbhänder besser als Einhänder, um gegen gepanzerte Gegner anzutreten. Für einen Schwertschlag ist es schwer ein Kettenhemd plus Gambeson (Polsterjacke) zu durchdringen. Allerdings kann die Wucht zu Knochenfrakturen führen und Gliedmaßen lähmen. Die Hände und Finger des Kontrahenten waren gleichfalls ein beliebtes Ziel. Der eigentliche Vorteil besteht jedoch in der Möglichkeit eines sehr kräftig ausgeführten Stichs – entweder mit der Hilfshand am Knauf oder dieser die Schwertklinge umfassend. Anderthalbhänder sind primär Stichwaffen.
Wird die Klinge beim Stich mit der Sekundärhand umfasst, ist dies eine Halbschwerttechnik. Ein so ausgeführter Stoß durchdrang spielend ein Kettenhemd und konnte sogar einen Plattenpanzer durchstoßen. Gern wurde auch in schlechter geschützte Stellen gestochen, wie beispielsweise Augenschlitze und die Innenseiten von Gliedmaßen und Gelenken sowie dem Halskragen.
Der bedeutendste Beeinflusser des Kampfs mit Anderthalbhändern ist der deutsche Fechtmeister Johannes Lichtenauer. Er selbst schrieb kein Fechtbuch, jedoch beziehen sich in den kommenden Jahrhunderten zahlreiche Fechtmeister und Abhandlungen auf seine Techniken und von einigen Schülern Lichtenauers sind Lehrgedichte (Merksätze) überliefert. Das früheste Werk welches ihn nennt ist der sogenannte „Döbringer“ aus dem Jahr 1389. Es wird angenommen. dass Lichtenauer ca. 1350 gelebt hat, zu einer Zeit also in der das Lange Schwert noch eine neue Waffe war, und kaum verbreitet, aber revolutionär. Von ihm ausgehend und aufgrund der revolutionären Waffenentwicklung gründeten sich die ersten Fechtschulen. Diese gewannen in den kommenden zwei Jahrhunderten so großen Einfluss, das der deutsche Kaiser z. Bsp. die Ausbildung von Kämpfern mit dem Langem Schwert exklusiv an diese abtrat (Vgl. Fechtschule der Marxbrüder). Lichtenauer erfand jedoch die meisten Fechthaltungen nicht, vielmehr kombinierte er sie und lehrte die richtige Nutzung mit dem Langem Schwert. Link
So wird z. Bsp. in dem ältesten europäischen Fechtmanuskript (Royal Armouries Ms. I.33) bereits von den Fechthaltungen „Alba“ und „Langer Ort“ gesprochen. Darunter werden auch zahlreiche weitere deutsche Fechtbegriffe wie durchtreten und stechen genannt. Wobei die Abhandlung nicht das Fechten mit dem Langen Schwert beinhaltet sondern Fechten mit Schwert und Buckler (Faustschild). Dieses in Latein verfasste Manuskript wurde mutmaßlich zwischen 1280 und 1320 verfasst und entstammt wohl der Gegend um Würzburg.
Die Lehre von Lichtenauers Anderthalbhänder-Techniken trug bis nach Italien, von hier stammt ein weiterer bedeutender Fechtmeister des Langen Schwerts namens „Fiore dei Liberi“. Er wurde in der Lichtenauerschule unterrichtet und schuf auf dieser Grundlage und der seiner Erfahrungen eines der bedeutendste Fechtbücher des Mittelalters „Fior di Battaglia“ (The Flower of Battle). Sein Leben und Schaffen wird auf den Zeitraum zwischen 1320 – 1420 eingegrenzt, mit Zahlreichen Belegen aus den 1390’zigern. Obwohl „Fior di Battaglia“ eines der am ausführlichsten erhaltenden Fechthandbücher ist, scheint der Autor selbst zumindest die Entwicklung des italienischen Fechtens nicht sonderlich beeinflusst zu haben. Die schien anderen Zeitgenossen vorbehalten zu sein wie Lippo Bartolomeo Dardi, der kurz nach dem Erscheinen der „Fior di Battaglia“ die Dardi-Fechtschule gründete, sie sollte in den kommenden Jahrhunderten das italienische Fechten prägen. Dardi behandelte vorwiegend das Einhändige Schwert, zumeist in Kombination mit Schild, Degen oder Mantel.
Wichtige deutsche Meister für das Fechten mit dem Langen Schwert sind der Kampfstellvertreter Hans Talhoffer und der Fechtlehrer Joachim Meyer.